Historismus: Neues Bauen und neues geschichtliches Denken im 19. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert des Historismus. Die drei abschließenden Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts als Phase der Vorbereitung und die als Nachblüte bis zum Ersten Weltkrieg verstrichene Zeit vervollständigen die Chronologie. Damit ist ziemlich genau der Rahmen abgesteckt, der den britischen Sozialhistoriker Eric J. Hobsbawm dazu bewogen hat, vom „langen 19. Jahrhundert“ zu sprechen. Am Beginn steht die aus englischer industrieller und französischer politischer resultierende Doppelrevolution und am Ende in der Terminologie des US-Historikers und Diplomaten George F. Kennan die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Ein erster ernstzunehmender Hinweis darauf, dass der Historismus auf gesellschaftliche Umbrüche reagiert haben könnte , ist damit gegeben, doch worauf sich dieser sperrige Begriff überhaupt bezieht, bleibt zu klären.

Historismus hat es als Stil in der Malerei etwa beim Erschaffen von Ölbildern, bei der Herstellung von Möbeln ebenso wie von anderen kunstgewerblichen Gegenständen gegeben. Selbst manche Erscheinungen in der zeitgenössischen Damen- und Herrenmode, die zumeist als viktorianisch oder gründerzeitlich adressiert werden, lassen sich so ansprechen, doch im vorliegenden Beitrag soll es vor allem um Architektur und geschichtliches Denken gehen.

Ein neuartiges geschichtliches Denken greift um sich 

Geschichtsschreibung hat es natürlich bereits im Altertum gegeben. Unser Wissen über die griechisch-römische Antike wäre ohne die Schriften von Herodot, Thukydides, Sallust, Livius, Tacitus und vieler anderer reichlich unvollständig und fragmentarisch geblieben.

Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts schließlich in ihrem wohl allzu optimistischen Glauben an die menschliche Vernunft hat in ihr einen geradezu handlungsleitenden Maßstab erkennen wollen. Eine Einschätzung die später östlich des Rheins in den sich formierenden und zu einigem Wohlstand gelangten Stadtbürgergesellschaften unter dem Eindruck der Auswüchse der Französischen Revolution nicht überall und zunehmend weniger geteilt wurde. Die Angehörigen der bürgerlichen Gesellschaft, die um erreichten materiellen Wohlstand und persönliche Unversehrtheit angesichts denkbaren revolutionären Umsturzes fürchteten, fanden sich politisch, sofern sie nicht dem konservativen Spektrum angehörten, im auf evolutionäre Veränderung setzenden Liberalismus eher aufgehoben. Freiheit und das vorläufig vergebliche Streben nach nationalstaatlicher Einheit waren die geläufigen Schlagworte. Dazu gehörte die Rückbesinnung auf die Vergangenheit, auch auf das vermeintlich dunkle Mittelalter, das durch die romantische Bewegung eine ungeahnte Konjunktur erlebte. Eine wissensbasierte Orientierung darüber war bei Bildungsbeflissenen gefragt wie noch nie und der Historismus lieferte sie im Zusammenhang einer sich allmählich etablierenden Legitimationswissenschaft. Ein wichtiges und neuartiges Merkmal der historistischen Denkschule war der Ansatz, jeder Epoche ihren eigenständigen Wert beimessen zu wollen und nicht etwa die Gegenwart hierarchisch über allen vergangenen Zeitaltern anzusiedeln.

Fortschrittliche Exponenten der Aufklärung wie der Philosoph Voltaire, der mit Werken über das Zeitalter Ludwig XIV. und den Versuch einer allgemeinen Weltgeschichte auch als Historiker unterwegs war, zeichneten sich schon früh durch Forderungen danach aus, dass die Glaubwürdigkeit jedes historischen Zeugnisses geprüft werden müsse oder, dass der Historiker Tatsachen von Erfindungen zu unterscheiden hätte. Ganz am Anfang der Geschichtskonzeption des Historismus ist indes der Althistoriker Barthold Georg Niebuhr zu verorten, dessen quellenkritisch-philologischer Ansatz dazu geführt hat, dass keine wirkliche Ereignisgeschichte Roms vor 300 v. Chr. mehr geschrieben werden konnte. Niebuhr hat – für uns heute selbstverständlich – die Frage nach der Plausibilität der von späteren Quellen berichteten Ereignisse gestellt und derart Legenden und Mythen von belastbaren Fakten unterschieden.

Im Konflikt des 1818 an die Berliner Universität berufenen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und dem 25 Jahre jüngeren 1795 bürgerlich geborenen Leopold von Ranke ist ein weiterer früher Meilenstein auf dem Weg hin zu einer Wissenschaft der Geschichte zu finden, die ihren Namen auch verdient. Hegel war der Auffassung die Kategorie der Vernunft erlaube ihm für die Geschichte eine Unterteilung in Wichtiges und Unwichtiges. Rankes Ansatz war Hegel insofern suspekt, „wenn nicht diese Lebendigkeit der Empfindung, doch die der Anschauung, der Vorstellung dadurch zu gewinnen, daß sie alle einzelnen Züge gerecht, lebendig darstellen, nicht durch eigene Verarbeitung die alte Zeit reproduzieren wollen, sondern durch sorgfältige Treue ein Bild derselben geben. Die bunte Menge von Detail, kleinliche Interessen, Handlungen der Soldaten, Privatsachen, die auf die politischen Interessen keinen Einfluß haben, – unfähig ein Ganzes, einen allgemeinen Zweck zu erkennen. (…) – solche Manier verwickelt uns in die vielen zufälligen Einzelheiten, die historisch wohl richtig sind: aber das Hauptinteresse wird durch sie um nichts klarer, im Gegenteil verworren.“ (s. G. W. F. Hegel, Die Vernunft in der Geschichte, in: ders.: Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, Hamburg 1980, Bd. 1, S. 15)

Rankes Berufsbild des Historikers, dem es bloß darum gehen sollte zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen“, und seine Geschichtsauffassung möchte ich hier als Replik auf Hegels Einschätzung ergänzend hinzufügen: „Menschliche Dinge kennenzulernen, gibt es eben zwei Wege: den der Erkenntnis des Einzelnen und den der Abstraktion; der eine ist der Weg der Philosophie, der andere der der Geschichte. Einen anderen Weg gibt es nicht, und selbst die Offenbarung begreift beides in sich: abstrakte Sätze und Historie. Diese beiden Erkenntnisquellen sind also wohl zu scheiden. Dem ohnerachtet irren auch diejenigen Historiker, welche die ganze Historie lediglich als ein ungeheures Aggregat von Tatsachen ansehen, das man ins Gedächtnis zu fassen sich das Verdienst erwerben müsse; wodurch geschieht, daß Einzelnes an Einzelnes gehängt und nur durch eine allgemeine Moral zusammengehalten wird. Ich bin vielmehr der Meinung, daß die Geschichtswissenschaft in ihrer Vollendung an sich selbst dazu berufen und befähigt sei, sich von der Erforschung und Betrachtung des Einzelnen auf ihrem eigenen Wege zu einer allgemeinen Ansicht der Begebenheiten, zur Erkenntnis ihres objektiv vorhandenen Zusammenhangs zu erheben.“ (s. L. v. Ranke, Fragment aus den dreißiger Jahren, in: Weltgeschichte, Leipzig 1888, Bd. 9/II, S. VIIIf.)

Wichtige Beiträge zum historistischen Denken kamen zudem von Johann Gustav Droysen, der in seiner Geschichte des Hellenismus die zwischen Alexander dem Großen und Kleopatra liegende Zeitspanne, inhaltlich und begrifflich auf ein neues Fundament gestellt hat. Aus Droysens Grundriß der Historik von 1882 zitiere ich hier aus dem Aufsatz Kunst und Methode, um seine theoretischen Bemühungen zu verdeutlichen: „Aber es gilt Methoden zu finden, um für dies unmittelbare und subjektive Auffassen (…) objektive Maße und Kontrollen zu gewinnen, es damit zu begründen, zu berichtigen, zu vertiefen. Denn nur das scheint der Sinn der vielgenannten historischen Objektivität sein zu können. Methoden gilt es zu finden. Es bedarf deren andere für andere Aufgaben und oft zur Lösung einer Aufgabe einer Kombination von mehreren derselben. So lange man glaubte, daß „die Geschichte“ wesentlich die politische Geschichte sei, was von Revolutionen, Kriegen, Staatsaktionen usw. überliefert ist, in neuer Auffassung und Zusammenstellung nachzuerzählen, mochte es genügen, aus den besten, vielleicht auch den kritisch nachgewiesenen Quellen das Material zu nehmen, das zu einem Buch, einem Vortrag oder dergleichen verarbeitet werden sollte. Seit die Einsicht erwacht ist, daß man auch die Künste, die Rechtsbildungen, jedes menschliche Schaffen, alle Gestaltungen der sittlichen Welt historisch erforschen kann, erforschen muß, um das, was ist, zu verstehen aus dem, wie es geworden ist – seitdem treten Forderungen sehr anderer Art an unsere Wissenschaft heran. Sie hat Gestaltungen nach ihrem historischen Zusammenhang zu erforschen, von denen vielleicht nur einzelne Überreste vorhanden sind, Felder zu erschließen, die bis dahin nicht, am wenigsten von denen, die mitten in ihnen lebten, als historisch beachtet und aufgefaßt sind. Von allen Seiten drängen sich ihr da Fragen auf, Fragen nach Dingen, die zum großen Teil ungleich wichtiger sind als die oft sehr äußerlichen und zufälligen Nachrichten, welche bisher für Geschichte gegolten haben.“

Zwei große Vorwürfe sind vor allem im 20. Jahrhundert an die historistische Denkschule gerichtet worden. Einerseits habe sie sich zu sehr auf Politikgeschichte konzentriert, auf dem oft beschworenen Primat der Außenpolitik bestanden. Daran ist sicher richtig, dass zwar darüber hinausgehend sehr wohl die Kulturgeschichte in den Blick genommen worden ist, ökonomische und sozial- bzw. gesellschaftsgeschichtliche Aspekte demgegenüber ins Hintertreffen geraten sind. Der andere richtete sich auf vereinzelte, isolierte Spezialforschung, die, nachdem die großen Editionsprojekte wie die „Monumenta Germaniae Historica“ (MGH) oder das „Corpus Insriptionum Latinarum“ (CIL) weiter vorangeschritten waren, notwendig geworden ist, aber einer breiteren Öffentlichkeit in ihrem Erkenntniswert nur schwer bis gar nicht vermittelbar war.

Das sollte jedoch nicht den Blick verstellen, will man die Leistungen der historistischen Denkschule in der deutschen Geschichtswissenschaft angemessen würdigen. Arbeit und Werk eines Leopold von Ranke, Johann Gustav Droysen, Theodor Mommsen, Heinrich von Sybel, Hermann Baumgarten, Georg Gottfried Gervinus, selbst des heute umstrittenen Heinrich von Treitschke stehen für das goldene Zeitalter des Fachs im internationalen Maßstab und wirkten weltweit vorbildhaft viele Jahre nach.

Ein neuer Architekturstil

Rückbesinnung und kreative Auseinandersetzung mit der Vergangenheit griffen ebenfalls in der Baukunst des 19. Jahrhunderts um sich. Seit den 1830er Jahren löste der historistische Architekturstil zunehmend den Klassizismus als bestimmende Formensprache ab. Nur ein scheinbarer Widerspruch besteht darin, dass der die griechisch-römische Antike zum Vorbild erklärende Klassizismus selbst ein historisierender Stil gewesen ist.

Ebenfalls nur ein scheinbarer Widerspruch besteht in der Beobachtung, dass vereinzelte Vorläufer des neuartigen Bauwollens zeitlich weit vorauseilen. Als erstes historistisches Bauwerk auf dem europäischen Kontinent wird allgemein das Nauener Tor in Potsdam von 1755 angesehen. Sein Entstehungsdatum lässt sich sehr wohl mit der eingangs angeführten Konzeption von Eric J. Hobsbawms „langem 19. Jahrhundert“ verknüpfen. Ein frühes Beispiel aus England, das 1776 in der Nähe von London vom Politiker und Schriftsteller Horace Walpole im neogotischen Stil fertiggestellte schlossartige Landhaus „Strawberry Hill“ mit seinen mit farbigen Glasmalereien versehenen Spitzbogenfenstern, Türmen und Zinnen ist mittelalterliches Zitat und Bruch mit klassizistischem Kanon zugleich. Ein zeitgenössischer Kritiker hat dazu bemerkt: „Wenn ein Architekt einen gotischen Bau an griechischen Regeln misst, findet er nichts als Unförmigkeit. Doch die gotische Architektur hat ihre eigenen Regeln, und wenn man sie nach diesen untersucht, stellt man fest, dass sie ihre eigenen Qualitäten hat, ebenso wie die griechische.“  

Alles nur als Verbeugung vor der eigenen nationalen Vergangenheit und Pracht? Diese Erklärung greift zu kurz, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Bauherr Walpole mit der auf „Strawberry Hill“ gemünzten „gothic novel“ „Das Schloss von Otranto“ als Initiator des Schauerromans – der „Frankenstein“ von Mary Shelley ist das wohl noch bekanntere Beispiel dieses Genres – hervorgetreten ist. Hierin brach sich das vom Vernunftglauben der Aufklärung verdrängte Übernatürliche und Unerklärliche erfolgreich Bahn. Die romantische Bewegung ist voll von solchen Beispielen. 

Der Historiker Thomas Nipperdey erklärt das neuartige Phänomen wie folgt: „Man lebt nicht mehr in einem Stil (und nicht im Kampf eines alten und eines neuen Stils), sondern verschiedenen Stilen gegenüber, man kann wählen, in welchem man bauen will, eine bis dahin unerhörte Situation. Es gibt keine Verbindlichkeit einer architektonischen Regelung mehr, die ist historisch relativiert. Und was die Geschichte überliefert, steht zur Disposition; die Historisierung auch der klassischen Norm führt zum Relativismus und Pluralismus der überlieferten Stile. Das ist zuletzt auch eine Folge der „Ideenarchitektur“. Wenn der Gehalt der Bauform jenseits des Sichtbaren liegt und in der Reaktion des Betrachters, dann wird zuletzt die Form ein Mittel, unterschiedliche Ideen zu repräsentieren, sie wird allmählich beliebig.“ (s. T. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 555)

Neogotik im Rheinland

Die im Rundbogenstil errichtete Johanneskirche ist mit einer Turmhöhe von 87,5m die größte evangelische Kirche der Stadt Düsseldorf. Sie verweist darauf, dass neben neuen Bauaufgaben des 19. Jahrhunderts wie den nun entstehenden monumentalen Verwaltungs- und Gerichtsgebäuden, der bürgerlichen kulturellen Teilhabe gewidmeten Institutionen wie Theatern, Museen und Opernhäusern oder Bildungsstätten wie den Akademien die Anlage von Kirchen nach wie vor große Bedeutung hatte. Darin spiegelt sich nicht zuletzt die rasante Bevölkerungsvermehrung, die eine Vielzahl von Großstädten entstehen ließ und der dort lebenden Menschen, denen Unterweisung in religiösen Dingen ein Anliegen war. In diesem Sinne ist die Johanneskirche knapp zehn Jahre nach der Proklamation des Deutschen Kaiserreiches im Dezember 1881 geweiht worden.

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Die im sogenannten Kathedralenstil erbaute St. Mariä Empfängnis – ebenfalls in der Stadtmitte Düsseldorfs gelegen – ist der römisch- katholischen Konfession zugeordnet. Die dreischiffige Basilika, mit einem höheren Haupt- und zwei niedrigeren Seitenschiffen versehen, kann typologisch im Ursprung auf die stadtrömische Antike zurückverfolgt werden. Im Altertum hat der basilikale Bautyp neben sakralen ebenso profanen Zwecken in der Form von Markthallen gedient. Die Marienkirche wurde von 1894 bis 1896 erbaut und weist zwei sechseckige Haupttürme auf.

Neoromanik, Neorenaissance und Neobarock 

Die gleichfalls in Düsseldorf befindliche neoromanische Kirche St. Rochus ist aufgrund von im letzten Weltkrieg erlittenen Zerstörungen nur noch zum Teil erhalten. Das 1897 nach Plänen des Architekten Josef Kleesattel errichtete Gotteshaus römisch-katholischer Konfession ist in seiner ursprünglichen Anlage nur noch vom Turm mit verkürztem Helm aus rekonstruierbar und wurde in seiner heutigen Form auch schon als radikalster Kirchenbau nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet.

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Katholische Kirche St. Rochus in Düsseldorf-Pempelfort.

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Architekt Josef Kleesattel.

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Neoromanischer Bau, geweiht 1897.

Der neoromanische Stil, wie er sich nach Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 immer mehr durchzusetzen begann, ist eminent politisch aufgeladen gewesen. Die Rückbesinnung auf die der Gotik vorangehende Romanik implizierte, dass es sich bei diesem Stil sehr viel mehr um einen heimischen deutschen Stil handele als es bei der angeblich französisch orientierten Gotik der Fall gewesen wäre. Derart wurde die damalige Feindschaft der beiden Völker in den Bereich der Architektur transferiert.

Als erstes Gebäude der Neorenaissance in Deutschland gilt das von Leo von Klenze 1821 fertiggestellte Palais Leuchtenberg in München. Ganz allgemein kann man davon sprechen, dass überall dort, wo sich in den Jahren danach die Neorenaissance gegen den bis dahin vorherrschenden Klassizismus durchzusetzen begann, eine trennscharfe Unterscheidung oft nicht ganz einfach ist. Das liegt daran, dass beide Stile an der etablierten Formensprache der Antike orientiert waren, die Neorenaissance allerdings in freierer Aneignung. Banken, Bürgerhäuser und Bildungseinrichtungen waren ihre typischen Bauaufgaben. Die Bildbeispiele meines Beitrags, die 1879 nach einem Entwurf von Hermann Riffart errichtete Kunstakademie in Düsseldorf und die 1883 von Eberhard Westhofen am Burgplatz ebendort erbaute Kunstgewerbeschule, weisen gleichermaßen die typische horizontale Fassadengliederung der von den Florentiner Palazzi bekannten Vorbilder auf.

Der Neobarock schließlich steht für den Rückgriff auf das Zeitalter des Absolutismus und die damit zusammenhängende Verkörperung der Staatsmacht. Die bevorzugte Verwendung des Neobarock für Gerichts- und Verwaltungsgebäude im Sinne einer einschüchternden Architektur hat nicht zuletzt damit zu tun, auf diesem Wege Respekt vor der staatlichen Autorität zu erheischen. Man spricht für das späte 19. Jahrhundert häufig nicht nur von Gerichtsgebäuden, sondern von Justizpalästen. Mit ein wenig Phantasie ist es möglich Personen, wie sie in Kafkas Erzählungen zu finden sind, hier orientierungslos in anonymen Korridoren herumirren zu sehen. Das hier abgebildete und unter Denkmalschutz stehende Oberlandesgericht Düsseldorf an der Cecilienallee , 1910 nach Entwürfen von Paul Thoemer errichtet, spricht von seinem äußeren Eindruck her jedenfalls nicht gegen diese These.

Der Begründer der Arts and Crafts Bewegung, der Brite William Morris, hat den Historismus einmal spöttisch als Maskerade in anderer Leute abgelegter Kleider bezeichnet. Das ist nur ein Beispiel von vielen, die nicht mit Kritik gegenüber diesem das 19. Jahrhundert prägenden Stil, der an diesem Ort zusätzlich um seine neomanieristischen und neoklassizistischen Varianten zu ergänzen wäre, gegeizt haben. Heute urteilt man mittlerweile milder und ist eher bereit die spezielle Ästhetik anzuerkennen. Das hat sicher viel mit der Postmoderne des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu tun, die ja selbst einen eklektischen Ansatz verfolgt hat.

Mein nächster Beitrag wird sich grundlegenden Elementen der Stadtentwicklung des 19. Jahrhundert zuwenden.

Bildnachweis©derblogger

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