Eine Nachbetrachtung
Exakt drei Wochen nach den Bundestagswahlen haben im Bundesland Niedersachsen Landtagswahlen stattgefunden. Um deren Bedeutung noch besser einordnen zu können, möchte ich vorab ein paar Informationen zur Verfügung stellen, die das sonntägliche Ergebnis anschaulicher machen. Niedersachsen ist mit gut 47.000 Quadratkilometern Fläche das nach Bayern größte Bundesland Deutschlands. Was die Einwohnerzahlen anbelangt, so stellen die knapp 8 Millionen Niedersachsen nach den Einwohnern von Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden Württenmberg die viertgrößte Bevölkerung eines deutschen Bundeslandes. Neben der Landeshaupstaddt Hannover, Geburtsort der späteren Königin Luise von Preußen und von Hannah Arendt, gibt es noch sieben weitere Großstädte, sofern man Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern dieses Label zuerkennt. Als da wären: Osnabrück, Geburtsort von Erich Maria Remarque und von Ex-Bundespräsident Christian Wulff, Oldenburg, Geburtsort von Karl Jaspers, Göttingen, in den 1930er Jahren Weltzentrum der Atomforschung, Braunschweig, Geburtsort des Mathematikers Carl Friedrich Gauß, Wolfsburg, Salzgitter und Hildesheim, Heimat zweier Weltkulturerbestätten.
Damit ist natürlich keinerlei Aussage über die ökonomische und gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Bundeslandes getroffen. Käme also ein Oberbayer mit seinem unvermeidlichen „Mia san mia“ oder ein Schwabe mit seinem „Bei uns spielt die Musik“ daher, wie wäre ihnen zu antworten? Nun, ganz offensichtlich ist die Volkswagen AG das umsatzstärkste im Deutschen Aktien Index (DAX) gelistete Unternehmen überhaupt. Hat VW einen veritablen Husten, was gegenwärtig der Fall ist, so kommen Wolfsburg und Niedersachsen nicht ohne ausgewachsene Grippe davon. Unter den umsatzstärksten Autozulieferern darf sich – global und deutschlandweit betrachtet – die Continental AG aus Hannover jeweils mit dem Titel eines Vize-Champions schmücken, in beiden Fällen nach dem Stuttgarter Autozulieferer Bosch. Um der Gerechtigkeit genüge zu tun, sind sicherlich die Stahlkocher der Salzgitter AG und die Hannoveraner Versicherer der Talanx AG und der Hannover Rück mindestens erwähnenswert.
Wilhelmshaven schließlich verfügt seit einigen Jahren nicht nur über Deutschlands einzigen Tiefwasserhafen, wiederum eine logistisch-ökonomische Kategorie, nein, diese Stadt ist überdies der wichtigste Standort der Deutschen Marine, wenn nicht der personalintensivste Standort der Bundeswehr, überhaupt. Hier vor Ort liegt unter anderem die aus Fregatten und Troßschiffen bestehende 2. Einsatzflottille. Unschwer wird beim Blick auf die Karte klar, dass von hier aus, sehr viel eher als aus der Ostsee, geostrategisch bedeutsame Räume zu erschließen wären und sei es nur, um die heimatliche Handelsschifffahrt adäquat zu unterstützen.
Die Landtagswahl selbst wurde notwendig, weil die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten im August 2017 zur CDU übergewechselt ist und die amtierende Koalitionsregierung aus SPD und GRÜNEN plötzlich ohne Mehrheit dastand. Nachdem im März 2017 im Saarland und im Mai 2017 in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die CDU jeweils als Siegerin aus den Wahlen hervorging, erschien dem Oppositionsführer Bernd Althusmann (CDU) der Zeitpunkt also günstig zu sein, mit Hilfe des Instruments vorgezogener Neuwahlen selbst Regierungschef zu werden. Wie der Wahlabend dann zeigte, ging sein Kalkül nicht wirklich auf.
Sollte es in Niedersachsen tatsächlich zu einer Großen Koalition kommen, dann wären die CDU und Althusmann nur die Juniorpartner von SPD und dem amtierenden Ministerpräsidenten Stephan Weil, der sich im Lande einer nicht zu unterschätzenden Beliebtheit erfreut. Einzig die von FDP-Chef Christian Lindner favorisierte Jamaika-Koalition brächte Althusmann seinem Ziel näher. Doch weshalb sollten sich die GRÜNEN nach der Twesten-Scharade dafür hergeben? Bliebe schließlich noch die Variante einer aus SPD und GRÜNEN bestehenden Minderheitsregierung, die auf Tolerierung und Duldung der im niedersächsischen Landtag befindlichen Oppositionsparteien von Fall zu Fall angewiesen wäre. Wirklich überzeugende Perspektiven sehen anders aus!
Da andererseits die FDP schon vor der Wahl die naheliegende Möglichkeit der sogenannten Ampel-Koalition aus SPD, GRÜNEN uns FDP geradezu kategorisch ausgeschlossen hat, darf man gespannt sein, wohin die Reise geht.