Das Bauhaus: Ideenschmiede für Architektur, Design und Kunst

Hat es je eine andere Kunsthochschule oder Akademie gegeben, die nur 14 Jahre lang existierte und dennoch einen derart weitreichenden ideellen Einfluss vorweisen kann? Vermutlich nicht! Die zudem so hartnäckigem Widerstand ausgesetzt war, dass während dieser knapp anderthalb Jahrzehnte ihres Bestehens mehrfach die Umzugskoffer gepackt werden mussten, um an einem anderen, einem neuen Ort wieder anzufangen und von vorne zu beginnen. Auch das dürfte ein Alleinstellungsmerkmal sein.

Bis ins Jahr 1563 reichen etwa die Anfänge der in Florenz von Giorgio Vasari mitbegründeten und noch heute bestehenden Accademia e Compagnia dell‘ Arte del Disegno zurück, die der Royal Academy of Arts in London immerhin bis 1768. Parallelen zur Entstehungsgeschichte des Bauhauses hingegen, nämlich zwei bereits bestehende künstlerische Lehreinrichtungen in eine einzige umzuwandeln, kann man beim Blick auf die an der Westküste der USA ansässige private Kunsthochschule California Institute of the Arts, auch als CalArts bekannt, beobachten. Unter federführender Mitwirkung von Walt Disney kam es hier 1961 zur Gründung von CalArts, und zwar aus dem Zusammenschluss der sehr viel älteren Einrichtungen des Chouinard Art Institute und des Los Angeles Conservatory of Music. Der fächerübergreifende Ansatz, der dabei zum Tragen kam, war stark an Richard Wagners in seinen Opern umgesetzten Konzept des Gesamtkunstwerks orientiert. Die Einheit von Tanz-, Ton- und Dichtkunst sah der Komponist vorbildhaft in der attischen Tragödie des 5. vorchristlichen Jahrhunderts verwirklicht, insbesondere in den Werken des Aischylos. Daraus leitete Wagner, indem er versuchte die Separierung der Künste aufzuheben, als Ziel das gemeinsame Werk des Menschen der Zukunft ab. Einem ähnlich integrativen Denken begegnen wir bei Walter Gropius, dem Gründungsdirektor des Bauhauses.

Sein Institut, das Staatliche Bauhaus in Weimar, ist sehr bald nach Ende des 1. Weltkriegs in einer Zeit politischer Wirren und flächendeckender materieller Not im April 1919 ins Leben gerufen worden. Es entstand aus der Vereinigung der Großherzoglich Sächsischen Hochschule für bildende Kunst mit der Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule. Als Ziel des Bauhauses formulierte Gropius damals programmatisch: „Das Bauhaus erstrebt die Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit, die Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk – zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile. Das letzte, wenn auch ferne Ziel des Bauhauses ist das Einheitskunstwerk – der große Bau -, in dem es keine Grenze gibt zwischen monumentaler und dekorativer Kunst.“ Mit anderen Worten: Unter Führung der Architektur sollte die Einheit aller künstlerischen Tätigkeiten hergestellt werden.

Grundformen und Grundfarben

Stilistisch war das Bauhaus anfangs – für viele bestimmt überraschend – am Expressionismus orientiert, wie das 1920/21 in Berlin nach Plänen von Gropius selbst und Adolf Meyer, beide kannten sich noch aus ihrer gemeinsamen Zeit im Architekturbüro von Peter Behrens, entstandene Haus Sommerfeld nahelegt. Ein eigener Stil musste erst gefunden werden. Es war dem niederländischen Künstler Theo van Doesburg, er hatte 1917 zusammen mit Piet Mondrian die Künstlervereinigung De Stijl gegründet, vorbehalten, in diesem Sinne ab 1922 in Weimar prägend zu wirken. Farblich galten ihm rot, gelb, blau sowie schwarz, weiß und grau als elementare Ausdrucksmittel, der rechte Winkel stand formgebend hoch im Kurs.

Ab Juni 1922 gesellten sich zu den Einflüssen aus Westeuropa solche aus dem Osten des Kontinents hinzu. Wassily Kandinsky, der zunehmend unter den Beschränkungen der künstlerischen Freiheit in Sowjetrussland litt, nahm seinerzeit seine Lehrtätigkeit am Bauhaus vor allem in der Werkstatt für Wandmalerei auf. Welchen Charakter bestimmte Farben besitzen und in welcher Form sie wirken, darüber hatte Kandinsky schon 1912 in seiner Schrift „Über das Geistige in der Kunst, insbesondere in der Malerei“ gründlich nachgedacht. Wie bei van Doesburg galten ihm die Grundfarben Rot, Gelb und Blau sehr viel und als Grundformen Kreis, Quadrat und Dreieck. Das sollte nicht nur in der von ihm geschaffenen abstrakten Kunst, sondern ebenso in seiner Lehre zum Ausdruck kommen.

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1. Wassily Kandinsky, Komposition VIII, 1923.

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2. Wassily Kandinsky, Im Blau, 1925.

Den einzelnen Werkstätten bzw. Arbeitsbereichen standen zum Teil einige überaus prominente kreative Köpfe vor. Sie führten die Bezeichnung Formmeister, denen für die rein handwerklichen Aspekte der Tätigkeit ein Werkmeister unterstützend und beratend an die Seite gestellt war. Der Professorentitel bürgerte sich erst nach einer ganzen Reihe von Jahren ein. Als Formmeister der Bauhausdruckerei begegnet etwa ein Lyonel Feininger, für die Bauhausbühne zeichnete Oskar Schlemmer verantwortlich, während die Buchbinderei von Paul Klee geführt wurde. Werkstätten für Glasmalerei, Weberei, Metall, Möbel, Fotografie, Ausstellungsgestaltung und Architektur verdeutlichen die Bandbreite des Lehrangebots, das die jungen Menschen, die als Auszubildende bzw. Studierende ans Bauhaus kamen, empfing. Sie alle mussten als neuartige Einführungsveranstaltung obligatorisch den Vorkurs durchlaufen, wo Vertrautheit im Umgang mit den Materialien Papier, Glas, Holz, Stahl usw. durch verschiedenartige Experimente geschaffen wurde. 

Dem bürgerlichen Establishment in der thüringischen Klassikerstadt waren indessen innovative Theateraufführungen von Schlemmers „Triadischem Ballett“ während der Ausstellung des Bauhauses von Juli bis September 1923 dann doch zu revolutionär, wenigstens zu modern, als dass man sich wirklich damit anfreunden mochte. Lieber hielt man es mit Goethe und Schiller. Auch das bei dieser Gelegenheit präsentierte quadratische Musterhaus „Am Horn“ fiel bei etlichen Kritikern durch. Zwar haben die zweckmäßig und funktional eingerichtete Küche sowie Kinder- und Esszimmer durchaus anerkennende Beachtung gefunden, doch die Gesamterscheinung wurde als „Nordpolstation“ oder „weißgetünchter Würfel“ abgekanzelt. Die vom Bauhaus hier realisierte und über die Jahre favorisierte Idee des Flachdaches ist zudem in nationalsozialistischen Kreisen immer wieder als „undeutsch“ gebrandmarkt worden. Im Zeichen der Heimatschutzarchitektur, wie sie z. B. Paul Schultze-Naumburg propagierte, wurde in den rechtskonservativen Milieus dagegen das traditionelle Satteldach als adäquat erachtet.

Neustart in Dessau

Die Kürzung der als finanzielle Unterstützung vom Land gewährten Haushaltsmittel und eine Kündigung der Räumlichkeiten führten im Ergebnis dazu, dass das Bauhaus im März 1925 nach Dessau im Freistaat Anhalt umzog. Angebote hatte es für die Schule neuen Typs mehrere gegeben, doch man entschied sich dafür, die Arbeit im sozialdemokratisch regierten Dessau fortzusetzen. 

Im Dezember 1926 war es dann soweit: Das Bauhausgebäude, eines der wahrscheinlich folgenreichsten Bauvorhaben des ganzen Jahrhunderts, konnte eingeweiht werden. Gropius selbst hat dazu erklärend bemerkt: „Der typische Bau der Renaissance, des Barock zeigt die symmetrische Fassade, auf deren Mittelachse der Zuweg führt. (…) Ein aus dem heutigen Geist entstandener Bau wendet sich von der repräsentativen Erscheinungsform der Symmetriefassade ab. Man muss rund um diesen Bau herumgehen, um seine Körperlichkeit und die Funktion seiner Glieder zu erfassen.“ 

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Die Inneneinrichtung der in Dessau errichteten Gebäude wurde natürlich vom Bauhaus in Eigenregie vorgenommen und gilt heute als Klassiker der Moderne schlechthin. Was in unserer Gegenwart als selbstverständlich vorausgesetzt wird, eine zeitgemäße und industriegerechte Formgestaltung, die am Gedanken einer fabrikmäßigen Reproduzierbarkeit ausgerichtet ist, das gab es bis dato eigentlich kaum. Der Begriff des „Design“ hielt zwar 1885 Einzug ins Oxford English Dictionary, wird im deutschen Sprachraum aber erst verstärkt nach 1945 verwendet.

In diesem Sinne waren Produktdesigner wie Wilhelm Wagenfeld und Carl Jakob Jucker unterwegs, um bei der Gestaltung einer Tischlampe die Funktion des Gebrauchsgegenstandes sichtbar zu machen, indem das Kabel im Schaft (s. Abb. 8) klar erkennbar nach oben geführt wurde. Im Ergebnis ist die berühmte Harmonie ausstrahlende Bauhaus-Leuchte mit der ihr eigenen Ästhetik entstanden, die noch heute als Wilhelm Wagenfeld Tischleuchte vermarktet wird. Stühle vom Typ Freischwinger und Stahlrohrmöbel generell, unentbehrliches Attribut jeder zeitgenössischen Bürolandschaft, haben ihren Ursprung ebenfalls in den Werkstätten für Holz und Metall des Bauhauses jener Jahre in der Weimarer Republik. Sie sind untrennbar mit den Namen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe verbunden.

Breuer, Mies van der Rohe und Gropius verband jedoch als Gemeinsamkeit nicht nur, dass sie am Bauhaus gearbeitet und gewirkt haben, sie teilten ebenso das ungewollte Schicksal der Emigration. Sie sind alle in die USA gegangen, da ihre Arbeit in der von ihnen angestrebten Form seitens der Nationalsozialisten nicht gebilligt wurde. Das Bauhaus, inzwischen in Berlin beheimatet, musste 1933 notgedrungen seine Pforten schließen. Die Ideen aber lebten weiter – immer noch!

Abbildungsnachweis©1,2,4,6,7,8 pixabay; 3,5,9 AdobeStock.

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