Was nach dem Mord an Caesar zunächst geschah
Die politischen und militärischen, in der Eroberung des bis dahin freien Galliens gipfelnden Erfolge Caesars sind ohne einen treu ergebenen, zuverlässigen Unterstützerkreis, ohne loyale Gefolgsleute kaum vorstellbar. Als jedoch die unerwartete Nachricht von der Ermordung des Diktators auf Lebenszeit während einer Senatssitzung an den Iden des März 44 v. Chr. innerhalb des römischen Stadtgebietes und darüber hinaus in aller gebotenen Eile kommuniziert wurde, verhielten sich seine bisherigen Anhänger, die sogenannten Caesarianer, zunächst einmal auffallend ruhig, abwartend. Das trifft auf viele namenlose Gefolgsleute unter Legionären wie Veteranen, die ihrem verstorbenen Feldherrn ein auskömmliches Stück Land nach dem Ende der strapaziösen Dienstzeit zu verdanken hatten, ebenso zu wie auf den bewährten langjährigen Weggefährten Marcus Antonius, der zu diesem Zeitpunkt als Konsul das nach wie vor bedeutendste reguläre Staatsamt an der Spitze der traditionellen Ämterhierarchie innehatte.
Kein explosives Aufbegehren, keine Stimmungsmache gegen die vorgeblich im Namen der Wiederherstellung der staatlichen Ordnung im Sinne der vor mehr als 450 Jahren etablierten Republik agierende meuchelmörderische Clique von Verschwörern, angeführt von Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus, war zu vernehmen. Ist die in der Tibermetropole sich ausbreitende gespenstische Ruhe gar als Indiz für eine allgemeine Zustimmung zum Tyrannenmord zu werten? Sehr viel richtiger ist es dagegen wohl von einer momentanen Schockstarre zu sprechen. Noch zwei Tage nach dem tragischen Ereignis, am 17. März 44 v. Chr., wurde im Rahmen einer Senatssitzung ein leicht befremdlich wirkender Kompromiss ausgehandelt, der den Attentätern Amnestie für ihr verwerfliches Tun zugesichert hat. Im Ergebnis wurde also auf jedwede Bestrafung verzichtet. Als Gegenleistung konnten die Caesarianer die Zusicherung der Anerkennung sämtlicher Anordnungen des soeben Verstorbenen erwirken. Offizielle Anerkennung erlangte in diesem Zusammenhang auch das Testament, aus dessen wortwörtlichen Bestimmungen hervorging, dass der achtzehnjährige Großneffe, ein gewisser Gaius Octavius, in „Familie und Namen“ adoptiert werden solle. Neben dem Volk von Rom, dem der Erblasser die in seinem Eigentum befindlichen Gärten am jenseitigen Tiberufer überließ und den Bürgern der Stadt, denen jeweils eine Geldzahlung in Höhe von 300 Sesterzen vermacht wurde, ist besagter seinerzeit im westgriechischen Apollonia weilender Octavius, der spätere Augustus, als Haupterbe benannt worden.
Die anfängliche Ruhe erwies sich schon sehr bald als trügerisch. Wer würde auf lange Sicht gesehen aus dem vorerst bestehenden Machtvakuum als Lenker der Staatsgeschicke hervorgehen?
Bürgerkrieg
Die Gruppe der Verschwörer, zu denen der zeitlebens als unentwegter Fürsprecher der Republik eingetretene Politiker, Anwalt und Philosoph Marcus Tullius Cicero übrigens nicht hinzugerechnet werden kann, hatte einen kapitalen Denkfehler begangen. Einerseits sind sie irrtümlich davon ausgegangen, dass allein die bloße Beseitigung des ihnen so verhassten Diktators hinreichend genug wäre, um das Gemeinwesen wieder wie von selbst in republikanische Fahrwasser zu lenken. Das wohlbekannte historische Beispiel der athenischen Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton, die sich des Peisistratiden Hipparchos 514 v. Chr. gewaltsam entledigt und damit erfolgreich den Weg hin zu politischem Neuland, dem durch die Kleisthenische Phylenreform eingeleiteten Demokratisierungsprozess, geebnet hatten, mag als eine Ursache dieser Fehleinschätzung zugrunde liegen. Andererseits hatten Cassius, Brutus und ihre Spießgesellen die Widerstandskraft der Caesarianer und deren Rückhalt in den Legionen wohl sträflich unterschätzt.
Die Bewohner Roms wie der italischen Halbinsel insgesamt sind während des bis dato vergangenen ersten vorchristlichen Jahrhunderts ungeheuren, in früheren Zeiträumen weitgehend unbekannt gebliebenen Belastungen für Hab und Gut, für Leib und Leben ausgesetzt gewesen: Der, um gleiche politische und rechtliche Teilhabe zu erlangen, ausgefochtene inneritalische Bundesgenossenkrieg, der in Proskriptionen und Bürgerkrieg einmündende Gegensatz zwischen Lucius Cornelius Sulla und dem popular eingestellten Gaius Marius sowie der von Caesar nach Überschreiten des Rubikon 49 v. Chr. zur Erreichung persönlicher Ziele in Kauf genommene Kampf römischer Bürger gegen römische Bürger. Den Anforderungen der in Afrika, Asien und Europa rings um das Mittelmeer sich entfaltenden römischen Herrschaft auf dem Vormarsch war mit den für die Verwaltung eines Stadtstaates ausgebildeten und dafür passenden Strukturen immer schwieriger zu begegnen. Angesichts einer in den Provinzen gänzlich fehlenden Bürokratie und aufgrund des Nichtvorhandensein eines stehenden Heeres waren mehrjährige Statthalterschaften und heftigen Diskussionsstoff liefernde außerordentliche Militärkommandos wie z. B. dasjenige von Gnaeus Pompeius Magnus, eine Antwort den sich auftürmenden Problemen kurzfristig zu begegnen.
Davon abgesehen schien sich Geschichte zu wiederholen. Ähnlich wie die Senatspartei mit Pompeius als militärischem Sachwalter ihrer Interessen sich vor der zahlenmäßigen Übermacht von Caesars Legionen nach Griechenland zurückgezogen hatte, wurden die Republikaner erneut aus Italien herausgedrängt. Den jeweils das allseits respektierte zweithöchste Amt in der klassischen Laufbahn, dem cursus honorum, bekleidenden Hauptverschwörern Cassius und Brutus wurden nämlich nach Ablauf ihres Amtsjahres Provinzen als Proprätoren zugeordnet, die vergleichsweise kaum unwichtiger hätten sein können. Im August 44 v. Chr. verließen sie Italien, um zum Jahreswechsel ihren neuen Dienst auf Kreta und im nordafrikanischen Kyrene anzutreten. Doch aufs offerierte Abstellgleis wollten sie sich nicht verschieben lassen, wie aus einem den Senat von Rom im Februar 43 v. Chr. erreichenden Schreiben überdeutlich wurde. Brutus hatte es verstanden, sich in den Besitz der römischen Provinz Makedonien und des übrigen Griechenlands wie auch Illyriens zu bringen, während Cassius sich unversehens im Besitz der asiatischen Provinz Syria befunden hat. Nebst zehn Legionen, über die er vor Ort Verfügungsgewalt hatte. Der in Italien verbliebene Cicero hat dafür in einer seiner gegen Marcus Antonius gerichteten Philippischen Reden viel Verständnis gezeigt, denn Cassius handele „aufgrund des Rechts, dass Juppiter selbst festgelegt hat, nach dem nämlich alles, was für den Staat Rettung bedeutet, für gesetzlich und rechtmäßig gehalten wird. Denn das Gesetz ist nichts anderes als die richtige und aus dem Göttlichen abgeleitet Regel, die das Gute befiehlt und das Gegenteil hindert. Diesem Gesetz also gehorchte Cassius, als er nach Syrien marschierte, in eine ihm nicht zukommende Provinz, wenn es nach den geschriebenen Gesetzen der Menschen geht, da diese aber unterdrückt sind, aufgrund des Gesetzes der Natur in seine eigene Provinz.“ Formaljuristisch eine recht eigenwillige Positionierung.
In Rom glaubten die senatorischen Kreise um Cicero zu diesem Zeitpunkt tatsächlich, man könne die Dinge noch umkehren, das Rad der Zeit zurückdrehen. Vor diesem Hintergrund ist Marcus Antonius im April 43 v. Chr. zum Staatsfeind erklärt worden, und Octavian, der bisher mit umfangreichen Truppenkontingenten im Sinne und auf Seiten des Senats agiert hat, würde sich schon ins Abseits befördern lassen. Stattdessen machten beide auf einmal gemeinsame Sache und versicherten sich der Unterstützung des Marcus Aemilius Lepidus, eines weiteren versierten militärischen Befehlshabers aus Caesars Tagen. Das neuartige Bündnis verfügte schlicht über mehr Legionen und damit mehr Durchsetzungskraft als die Senatspartei. Man beschloss die formelle Herrschaft im Staat zu übernehmen, indem im November 43 v. Chr. per Gesetz eine alles andere überragende Sondermagistratur für die Dauer von zunächst fünf Jahren geschaffen wurde: Das Triumvirat. Das begrifflich die belastete Erinnerung an die Diktatur vermeidende Dreimännerkollegium, das de facto dennoch eine Militärdiktatur war, machte sich sogleich frisch ans Werk, um den Staat nach eigenen Vorstellungen wieder aufzurichten. Dazu gehörte zuvorderst die Befreiung von den Caesarmördern. Wer innenpolitisch im Wege stand, wurde im Zuge der Proskriptionen geächtet und für vogelfrei erklärt, was in tausenden Fällen mit dem Tod der davon Betroffenen – darunter auch Cicero – geendet hat. Bei Philippi in Griechenland 42 v. Chr. erlitten die Truppen unter dem Kommando der Caesarmörder Cassius und Brutus schließlich bald darauf ihre entscheidende Niederlage gegen die Legionen des Triumvirats. Römer gegen Römer.
Römer gegen Römer hieß es weiterhin, mehr als ein Jahrzehnt lang. Nachdem Lepidus zunehmend ins Abseits bugsiert worden war, die Bevölkerung Italiens – darunter die Familie des Dichters Vergil – von Landenteignungen betroffen und vorübergehend von einer schleppenden bis ganz ausbleibenden Versorgung mit Getreideimporten bedroht war, spitzte sich der Konflikt zwischen den bisherigen Bündnispartnern Octavian und Antonius zu. Octavian hatte seine Basis in Italien, Antonius die seine im nach Wirtschaftskraft, Steueraufkommen und kultureller Strahlkraft seit jeher dem Westen überlegenen griechisch geprägten ostmediterranen Raum. Im Verlauf der Fahrt aufnehmenden Auseinandersetzungen geriet Antonius aufgrund propagandistischer Umtriebe mehr und mehr in den Verdacht gegen die Interessen Roms zu handeln. Seine persönliche Beziehung zur ägyptischen Königin Kleopatra und öffentlich bekannt gewordene Bestimmungen zur Erbfolge, die den Eindruck erweckt haben, sie seien gegen Rom gerichtet, ließen den Stern von Caesars früherem zweiten Mann sinken. Nach der für ihn verlorenen Seeschlacht von Actium im September 31 v. Chr. blieb Antonius nur die Flucht zurück nach Ägypten, wo er in auswegloser Lage Suizid verübte. Octavians Legionen waren ihm indes auf den Fersen und nahmen die wichtigste Stadt des Landes, Alexandria, ein. Die letzte verbliebene Bastion des politischen Hellenismus, das Ptolemäerreich in der Nachfolge der glanzvollen Pharaonen, wurde römische Provinz, als zukünftige Kornkammer das Kronjuwel der Tibermetropole. Octavians Stellung war unangefochtener denn je.
Die Begründung des Prinzipats
Nachdem alle Widersacher und Konkurrenten ausgeschaltet waren, verblieb die zunächst ungelöste Beantwortung der Frage, was der gleichermaßen umtriebige wie blutrünstige Militärpotentat Octavian mit seiner von zahlreichen Legionen unterstützten enormen Machtfülle zu unternehmen gedachte. Etwa die erneute Errichtung einer Diktatur wie zu Zeiten Caesars? Zwar war diese per Gesetz abgeschafft worden, doch Gesetze konnte man ändern. Das Königtum endlich als weitere Möglichkeit einer Alleinherrschaft war durch die römische Geschichte selbst derart diskreditiert, dass an die Revitalisierung einer Monarchie nicht einmal zu denken war. Auch die Wiederherstellung einer reinen Adelsherrschaft, indem die politische Verantwortung an den Senat rückübertragen wurde, wie es einst Sulla getan hatte, war keine wirkliche Option mehr. Die ehedem führende staatstragende Gesellschaftsschicht, die die kompetentesten und fähigsten Senatoren stellende, in den Tagen der mittleren Republik aus Patriziern und Plebejern hervorgegangene Nobilität, ist ja in den unübersichtlichen Wirren der Bürgerkriege nicht nur erheblich dezimiert, sondern beinahe vollständig ausgelöscht worden. Natürlich gab es immer noch den Senat als solchen, wer ihm angehörte, musste gegenwärtig und zukünftig jedoch in erster Linie loyal gegenüber Octavian sein, der in dem von ihm ausgeübten Amt des Zensors die willfährige personelle Zusammensetzung dieser Institution zudem wirkungsvoll überwachen konnte, oder Verdienste in seinem Sinne erworben haben.
So kam es am 16. Januar 27 v. Chr., Octavian war jetzt 35 Jahre alt, zu jenem bemerkenswerten Staatsakt, in dessen Verlauf der Protagonist die persönliche Verfügungsgewalt über die staatlichen Finanzmittel und das Kommando über die Heere niederlegte, die konzentrierte Macht gleichsam an den Senat und das Volk von Rom zurückgab. Formal war damit die altehrwürdige Republik, mentaler Sehnsuchtsort jedes aufrechten Römers, wiederhergestellt, ein verbindlicher Schlussstrich unter die Ära der Bürgerkriege gezogen. Rechtlosigkeit und grassierende Willkür der zurückliegenden Jahrzehnte sollten damit der Vergangenheit angehören. Octavian verblieb neben einigen anderen Privilegien das Amt des Konsuls, und er wurde im Gegenzug für den geleisteten Verzicht mit dem Ehrennamen Augustus (=der Erhabene) ausgezeichnet.

1. Bronzestatue des Augustus an der Via dei Fori Imperiali, Rom. Oberhalb der Erdgottheit Tellus mit dem Füllhorn ist in der Mitte des Panzers die Rückgabe der von Crassus 53 v. Chr. an die Parther verlorenen Feldzeichen dargestellt. Sie wurden im von Augustus errichteten Tempel des Mars Ultor feierlich deponiert.
In seinem gegen Ende des Lebens verfassten Tatenbericht, den Res gestae divi Augusti, bezieht Octavian zu den Ereignissen persönlich Stellung: „(…) nachdem ich den Bürgerkriegen ein Ende gesetzt hatte, habe ich, der ich mit Zustimmung der Allgemeinheit zur höchsten Gewalt gelangt war, den Staat aus meinem Machtbereich wieder der freien Entscheidung des Senats und des römischen Volkes übertragen. Für dieses mein Verdienst wurde ich auf Senatsbeschluss Augustus genannt. (…) Seit dieser Zeit überragte ich zwar alle an Einfluss und Ansehen; an Amtsgewalt aber besaß ich hinfort nicht mehr als diejenigen, die auch ich als Kollegen im Amt gehabt habe.“
Die althistorische Forschung bezeichnet die von Augustus begründete neuartige Staatsform als Prinzipat. Das Prinzipat steht für den Beginn des römischen Kaisertums, wie es bis hin zu Diocletian rund dreihundert Jahre lang Bestand haben sollte, bevor in der Spätantike modifizierte rechtliche und politische Mechanismen zu greifen begannen. Was den sich bescheiden gebenden Princeps Augustus, der nach eigenem Bekunden nur als erster unter gleichen agiert habe, dennoch ganz entscheidend über alle anderen heraushob und den reklamierten Republikanismus damit zur wohlfeilen Fassade einer ideenreich verhüllten Monarchie erstarren ließ, wird am praktizierten Umgang mit den in den letzten 200 Jahren immer zahlreicher gewordenen römischen Provinzen klarer.
Im Verantwortungsbereich des Senats lagen ab jetzt die Provinzen Asia, das an der Schwarzmeerküste gelegene Bithynia et Pontus, Creta et Cyrene, Africa, Sicilia, Sardinia et Corsica, die südspanische Baetica, Macedonia, Illyricum und Achaia im noch verbliebenen Griechenland. Augustus hingegen wurde mit dem imperium proconsulare die Amtsgewalt eines Prokonsuls übertragen, womit er nur ihm weisungsgebundenen Abgesandten, den legati Augusti, das Regiment in unruhigen, aufrührerischen oder von außen gefährdeten Provinzen delegieren konnte. Das waren alle vier Provinzen Galliens (Narbonensis, Aquitania, Lugdunensis, Belgica) sowie Syria, Cilicia, Cyprus, Aegyptus, Tarraconensis und Lusitania, beide letztgenannten in Spanien befindlich. Hier und eben nicht in den senatorischen Provinzen befanden sich folgerichtig die Hauptkontingente der 28 römischen Legionen mit ihrer jeweiligen Sollstärke von um die 6000 Soldaten. Wer in Rom wollte Augustus daran hindern in den Grenzprovinzen über Krieg und Frieden oder Vertragswerke mit Nachbarvölkern nach eigenem Gutdünken zu entscheiden? Auch wenn mit Theodor Mommsen die wahrscheinlich bedeutendste Autorität auf dem Fachgebiet der römischen Geschichte bereits vor etlichen Jahrzehnten zu der Einschätzung gelangt ist, „Alles was der Princeps ausführt, bewegt sich im Kreise republikanischer Ämter. Er steht nicht über den Gesetzen, sondern die Gesetze stehen über ihm,“ ein verbindlicher Rechtsrahmen für alle somit vorhanden war, ist das Gewicht der politischen Partner im Rom der frühen Kaiserzeit von ganz erheblicher Ungleichheit bestimmt gewesen.
Zeitgeist
Der Schließung des stadtrömischen Janus-Tempels 29 v. Chr. kam eine kaum zu überschätzende Symbolkraft zu. Denn, wie es die Tradition vorgab, durfte er nur geschlossen werden, wenn innerhalb des unter römischer Kuratel stehenden Gebietes Frieden herrschte. Nach dem Ende der Bürgerkriege war dieser Zustand mit Seltenheitswert nun erreicht, von einigen Ausnahmen an der territorialen Peripherie einmal abgesehen. Der als Pax Romana bekannte römische Frieden wurde personalisiert und begrifflich mit der Pax Augusta gleichgesetzt und identifiziert. In Versform wurde dieser Anbruch einer neuen Ära von dem zeitgenössischen Dichter Horaz lyrisch verklärt:
„Und schon wagt auch Frieden und Treu und Ehre
Und der Vorzeit Zucht und vergessne Tugend
Sich zurück; glückspendend erscheint mit vollem
Horne der Segen.“
Ihre geeignetste für uns sichtbare architektonisch-baukünstlerische Form hat die Augustus zugeschriebene Friedenszeit in dem ersten Denkmal gefunden, das ganz explizit der öffentlichen politischen Selbstdarstellung eines römischen Herrschers gedient hat. Die Rede ist von der 9 v. Chr. geweihten Ara Pacis, dem auf nahezu quadratischem Grundriss aus Carrara-Marmor errichteten Friedensaltar auf dem Marsfeld. Der vorhandene Reliefschmuck von höchster künstlerischer Qualität hat die Absicht inhaltlich die Familienmitglieder des Princeps einschließlich priesterlichem Gefolge und Liktoren als Ausweis der vorhandenen persönlichen Amtsgewalt mit Szenen aus der römischen Frühgeschichte zu verbinden. Der auf einer weiteren Reliefplatte bei der Vornahme eines Opfers dargestellte Aeneas, der mythische Ahnherr Roms, sorgt für die gewollte Legitimation der julischen Dynastie insgesamt aufgrund der gemeinsamen Berufung auf göttlichen Ursprung durch Venus als Mutter.

2. Statue von Augustus als Pontifex Maximus, der höchstrangigen priesterlichen Autorität Roms. Entstanden nach 12 v. Chr.
Allgemein kann man für den Bereich der Religionsausübung davon sprechen, dass von Augustus die seit langem bestehenden Kulte nicht nur wiederbelebt worden sind, sondern den traditionellen Gottheiten des polytheistischen Pantheon überhaupt ist im Rahmen seines Programms zur religiösen Erneuerung eine erhöhte Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu teil geworden. Persönlich hat der Princeps eine besondere Beziehung zu Venus aus dynastischen Motiven heraus, Mars, dem er als Dank für den Sieg bei Actium 31 v. Chr. den Mars Ultor Tempel hat erbauen lassen und Apollo, dem er neben seinem eigenen Privathaus auf dem Palatin einen Tempel errichten ließ, gepflegt.
Diese restaurativen Tendenzen, denen, um dem vermuteten allgemeinen Sittenverfall auch gesetzgeberisch Einhalt zu gebieten, die verstärkte Beachtung des mos maiorum, der Sitte und Tradition der Vorfahren, ergänzend hinzuzufügen ist, sind wenigstens teilweise durch die Begegnung mit einem Phänomen erklärbar, das mit einer gegenüber der frühen und mittleren Republik offensichtlich veränderten Bewusstseinslage der Menschen zu tun gehabt haben muss. Der offizielle Staatskult und die damit verbundenen stark ritualisierten Opferpraktiken haben jedenfalls nicht mehr eine für alle Gläubigen genügende, hinreichende Kraft wie ehedem besessen. Eine nähere Verbindung, einen individuelleren Zugang zur Gottheit etwa auf dem Wege von Initiationsriten versprachen dagegen die aus dem Osten kommenden Mysterienreligionen wie der Kult der Magna Mater oder der Isiskult, denen sich weitere neuartige Vorstellungen von der Beziehung des Göttlichen zum Menschlichen im Laufe der Zeit hinzugesellen sollten.
Augustus war noch ein relativ langes Leben beschieden, bevor er fast siebenundsiebzigjährig 14 n. Chr. im kampanischen Nola verstarb. Sein Adoptivsohn Tiberius hat die Nachfolge als Princeps angetreten und die dynastische Linie fortgesetzt.
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