Caesar und der Griff nach der Alleinherrschaft

Mit Venus im Bunde

Ob Caesar 100 v. Chr. oder möglicherweise bereits zwei Jahre zuvor geboren wurde, darüber herrscht keine letztgültige Klarheit. Dass Abstammung, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer altadeligen Familie, einer patrizischen gens, von überragender Bedeutung waren, sofern denn eine politische Karriere in Rom angestrebt wurde, darüber können hingegen keinerlei Zweifel bestehen. Ansonsten wäre man mit dem wenig wünschenswerten Etikett eines Emporkömmlings oder Aufsteigers, in der seinerzeit gebräuchlichen Terminologie eines homo novus, versehen worden. Und ein neuer Mensch ist Gaius Iulius Caesar gewiss nicht gewesen. Jedenfalls nicht in dieser Hinsicht. Als Mitglied der Familie der Iulier durfte er sich wie selbstverständlich als privilegierter Angehöriger der gesellschaftlichen und politischen Führungselite des seit den Punischen Kriegen imperial immer weiter ausgreifenden ehemaligen Hüttendorfes am Tiber fühlen. Wer konnte schon seine eigene Herkunft auf Venus, Göttin der Liebe und Schönheit, zurückführen, wie Caesar selbst etwa bei der von ihm auf dem Forum Romanum für seine verstorbene Tante Julia gehaltenen Totenrede und bei anderen Gelegenheiten nicht müde wurde zu betonen? Womit eine direkte Verbindungslinie zum sagenhaften Ahnherrn der ewigen Stadt, dem gemeinsam mit dem Vater Anchises und dem auch als Askanios bekannten Sohn Iulus aus dem brennenden Troja entflohenen Aeneas, gelegt war. Der 1902 für seine „Römische Geschichte“ mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Althistoriker Theodor Mommsen hat diesen Sachverhalt in der für ihn charakteristischen Weise wie folgt beschrieben: „Dem Sprössling einer der ältesten Adelsfamilien Latiums, welche ihren Stammbaum auf die Helden der Ilias und die Könige Roms, ja auf die beiden Nationen gemeinsame Venus/Aphrodite zurückführte, waren seine Knaben- und ersten Jünglingsjahre vergangen, wie sie der vornehmen Jugend jener Epoche zu vergehen pflegten.“

Dass es sich bei Caesars venusischer Inanspruchnahme keineswegs lediglich um die Schwärmerei eines Heranwachsenden oder die modisch-überspannten Äußerungen eines verwöhnten Angehörigen der lokalen Jeunesse dorée gehandelt haben kann, dafür sprechen indessen starke Indizien. Die von ihm auf dem Höhepunkt der politischen Macht und des persönlichen Ansehens 46 v. Chr. vorgenommene Tempelweihe auf dem seinen Namen tragenden, von ihm geplanten und konzeptionell hellenistischem Vorbild folgenden Forum mitten im Herzen der Stadt galt schließlich niemand anderem als Venus Genetrix, bei der sich der Diktator damit für die mit Hilfe göttlichen Beistands zuvor errungenen Siege angemessen bedanken wollte. Noch kurz vor seiner Ermordung hat er in der Vorhalle dieses Tempels wie ein Monarch oder Gott sitzend den Senat empfangen. In der Wahrnehmung so mancher eine unangemessene Herausforderung der seit den Tagen der Gracchen unablässig brüchiger gewordenen republikanischen Tradition, ebenso ein eindeutiges Signal für die mittlerweile eingetretene Verschiebung in den Machtverhältnissen. Was seit dem Ende der Königsherrschaft 509 v. Chr. und der Vertreibung ihres letzten Repräsentanten Tarquinius Superbus über die Jahrhunderte hinweg misstrauisch beargwöhnt worden war, nun war es eingetreten: Die Errichtung einer Alleinherrschaft, zunächst begrenzt auf ein Jahr, später dann ohne jedwede zeitliche Einschränkung. Womit der Eindruck oder Anschein eines Provisoriums endgültig dahin war.

rome-g2954ea7be_1920

1. Die drei aufrechten Säulen einschließlich Gebälk erinnern an den 46 v. Chr. von Caesar errichteten Tempel der Venus Genetrix.

Im Zeichen von Wandel und Veränderung

Tradition, Herkommen, die konsequente Beachtung der Sitten der Vorfahren, was unter dem Begriff mos maiorum subsumiert wurde, galten viel, galten alles in früh- und mittelrepublikanischer Zeit, sie haben das politische und gesellschaftliche Leben des aufstrebenden Stadtstaates weitgehend bestimmt. Der sechs Jahre vor Caesar geborene Staatsmann und Philosoph Cicero sah sich in seiner Schrift „De re publica“ durch das Nichtvorhandensein einer ver(in)schriftlichen Version jedenfalls nicht daran gehindert, in der seiner Ansicht nach monarchische, aristokratische und demokratische Elemente aufweisenden römischen Mischverfassung die sowohl ideal als auch real bestmögliche Verwirklichung einer politischen Ordnung zu erkennen. Doch zu Lebzeiten Ciceros war die Staatskrise der späten Republik bereits virulent, Cicero als ihr wortgewaltiger Anwalt im dauerhaften, letztendlich vergeblichem Verteidigungsmodus. Ein anderer Gewährsmann, noch dazu einer mit dem kritisch distanzierten Blick des Außenstehenden, der nach Beendigung des Dritten Makedonischen Krieges 167 v. Chr. als Geisel nach Rom gelangte griechische Historiker Polybios hat im VI. Buch der „Historien“ ausführlich davon berichtet, was in der guten alten Zeit an Roms politischer Ordnung so vorbildlich und bemerkenswert war: „Die drei politeiai (= Verfassungen, politische Ordnungen), von denen ich oben berichtet habe, haben alle Anteil an der Verwaltung des römischen Staates. Und man brachte sie mit solcher Gleichmäßigkeit und Korrektheit zur Anwendung, als man die Verfassung aufsetzte und weiterentwickelte, dass selbst ein Einheimischer kaum mit Sicherheit hätte sagen können, ob das ganze Gebilde nun aristokratisch, demokratisch oder monarchisch geprägt war. Das war in der Tat nur natürlich: Denn wenn man sein Augenmerk auf die Macht der Konsuln richtet, erscheint die politeia ganz und gar monarchisch; wenn auf den Senat, so wirkt sie aristokratisch; und wenn man sich die Macht der Menge besieht, so scheint es sich eindeutig um eine Demokratie zu handeln. (…) Da jeder Teil die Möglichkeit hat, die anderen Teile zu behindern oder mit ihnen zusammenzuarbeiten, können sie gemeinsam auf alle Wechselfälle reagieren, so dass man unmöglich ein besseres politisches System finden wird als dieses (…). Alles bleibt in der Tat im Gleichgewicht, weil jede offensive Regung unweigerlich eingedämmt wird und von Anfang an jede Seite die Einmischung der anderen fürchtet.“

Das aus der Neuzeit bekannte System von checks and balances scheint demnach in einer antiken Variante früh seine wohlausgewogene Anwendung gefunden zu haben. Ist aber tatsächlich alles so fein austariert gewesen, wie Polybios es uns nahelegen möchte? Lief es am Ende des Tages nicht doch auf eine Adelsrepublik hinaus? Zwar gibt es in der althistorischen Forschung gewichtige Stimmen wie diejenige des Briten Fergus Millar, der die hervorragende Bedeutung der demokratischen Elemente mehrfach hervorgehoben hat, doch am Senat und den Magistraturen, wie sie sich als Ergebnis der Ständekämpfe nach 367 v. Chr. herausgebildet haben, war lange Zeit kein Vorbeikommen. Außenpolitik, Bündnisse, Richtlinien der Kriegsführung, Empfang von Gesandtschaften, militärische Aushebungen, die Ausstattung von Feldherrn und Provinzialstatthaltern und vieles mehr: all das lag auf den Schultern und in der Verantwortung der aus einer Art von Amtsadel, der Nobilität, sich formierenden Senatoren, allesamt gewesenen Magistraten. Kurzum: Der Senat war die oberste Instanz, wie Christian Meier es bündig ausgedrückt hat. Aus diesem erlauchten, ehedem dreihundert Köpfe zählenden Kreis herausragen zu wollen, war jedoch verpönt. Auf den Erhalt der ständischen Gleichheit wurde über die Jahrhunderte hinweg minutiös und peinlich genau geachtet.   

Für einen die organisatorischen Belange eines urbanen Zentrums und des ihn umgebenden ländlichen Territoriums verantwortlichen Stadtstaat mochte tatsächlich die passgenaue politische Ordnung gefunden worden sein. Doch das militärische Ausgreifen über das italische Festland hinaus – den Anlass dafür brachte der Erste Punische Krieg gegen Karthago mit sich – schuf ab 227 v. Chr., als mit Sizilien die erste Provinz eingerichtet wurde, neuartige Herausforderungen und Probleme. Der in seinen Augen einsetzende allgemeine Sittenverfall, Luxus, Entartung und Korruption sind damals vom erzkonservativen Marcus Porcius Cato folgerichtig an den Pranger gestellt worden. Als die Krisensymptome in der Republik sich um 140 v. Chr. zu verdichten begannen, standen weite Teile Spaniens, die illyrische Küstenlinie, Griechenland, der dem heutigen Tunesien entsprechende Teil Nordafrikas sowie die großen Inseln Korsika, Sardinien und Sizilien bereits unter römischer Kuratel. Trotz reichhaltiger Kriegsbeute, Tribute und von der Peripherie an das Zentrum zu leistender steuerlicher Abgaben hatte die Desintegration der Gesellschaft zugenommen. Sichtbar wurde sie vor allem an einer stark zunehmenden Zahl verarmter Kleinbauernfamilien, dem ursprünglichen traditionellen Rückgrat der durch und durch agrarisch geprägten Gesellschaft. Immer mehr und immer längere Feldzüge in immer weiter entfernten Gebieten hielt die ihren Dienst in den Legionen leistenden Kleinbauern zunehmend von der Wahrnehmung der eigentlichen beruflichen Tätigkeit fern. Verarmung, Landflucht und die Herausbildung einer urbanen Unterschicht waren die bedauerliche Folge. Die verwahrlosten Äcker hingegen wurden von der sich erst jetzt breiter aufstellenden Riege der Großgrundbesitzer günstig aufgekauft. Wie konnte die vorhandene soziale Not gelindert werden?

Hier setzten die Agrarreformen der beiden Brüder Tiberius und Gaius Sempronius Gracchus in den 130er und 120er Jahren v. Chr. an. Der sich nun immer mehr abzeichnende Gegensatz der konservativ-bewahrenden und gegen Veränderung eingestellten Senatsmehrheit, der Optimaten, zu den sich auf die Volkversammlung und das Amt der Volkstribunen stützenden reformerischen Kräften, den Popularen, begann sich rasch zu verstärken. Eine in erbitterten Straßenkämpfen sich äußernde, rasch um sich greifende Radikalisierung der Politik war zu beobachten. Als in dieser Konsequenz so sicher nicht gewollte zusätzliche Belastung sollte sich zudem die Heeresreform des mehrfach entgegen den Regeln der Verfassung das an der Spitze der Ämterhierarchie angesiedelte Konsulat bekleidenden Marius erweisen. War bislang der Dienst in den Legionen an das Vorhandensein von Mindestbesitz geknüpft, wurde nunmehr jeder dafür taugliche Freiwillige genommen, das traditionelle Milizsystem in Richtung einer Berufsarmee weiterentwickelt. Damit waren unmittelbar erhöhte Ansprüche an die Veteranenversorgung gestellt. Eine Existenz musste nach Beendigung der Dienstzeit in zahlreichen Fällen erst einmal geschaffen werden. Und zwar durch das Engagement ihres Feldherrn, dem seine Soldaten treu und loyal ergeben waren, von dem sie aber im Gegenzug irgendwann einmal ein Stück Land erwarteten. Die Einrichtung der Heeresclientel war damit geschaffen. Bedeutende charismatische Einzelpersönlichkeiten, umgeben von der verheißungsvollen Aura des Kriegsglücks, der Unbesiegbarkeit, die mit ihren Legionen rund um das Mittelmeer, das mare nostrum, für Rom Territorien in Europa, Asien und Afrika eroberten, liefen Gefahr mehr oder weniger zwangsläufig in Gegensatz zu den republikanischen Gepflogenheiten, der Eingebundenheit in eine bewährte Ordnung zu geraten. Sofern ihnen ihr Erfolg zu Kopfe stieg und sie Begrenzungen nicht mehr bereit waren zu akzeptieren.

Marius und Sulla, ersterer den Popularen und zweiterer den Optimaten zuneigend, sind solche bedeutenden, allerdings einander verfeindete Einzelpersönlichkeiten gewesen. Sie verstrickten Rom 83/82 v. Chr. in einen mit unglaublicher Härte und Brutalität ausgefochtenen Bürgerkrieg, in dem Tausende ihr Leben ließen, freie Bürger mit freien Bürgern abrechneten. Der Senat sah sich inzwischen außerstande, ein mäßigendes Gegengewicht zu bilden, die Schwäche der altehrwürdigen Institution war mit Händen zu greifen. Um ohne Beteiligung von Senat und Volk Gesetze zu erlassen und im Alleingang den Staat wieder in Ordnung zu bringen, wurde Lucius Cornelius Sulla schließlich zum Diktator berufen. 79 v. Chr. schied er wieder freiwillig aus dem Amt, nachdem er seine Arbeit im Sinne einer Restaurierung der Senatsherrschaft verrichtet hatte. Da war Caesar, ein Neffe von Marius, gerade einmal 21 Jahre alt, seine verwandtschaftlichen Bande wären ihm beinahe zum Verhängnis geworden.

Caesars Aufstieg  

Die eingangs thematisierte Herkunft aus vornehmer Familie, einer patrizischen gens, bedeutete nicht, dass Caesar reich oder auch nur wohlhabend gewesen wäre. Dementsprechend wohnte und lebte er jahrzehntelang in einem Stadtviertel, das nichts weniger als exklusiv war, in der drangvollen Enge der berüchtigten Subura. Wohlmeinend könnte man formulieren, so hatte er eben ausreichend Zeit und Gelegenheit, die Sorgen und Nöte der mit Mühsal und Plackerei Beladenen zur Genüge kennenzulernen. Die Lebensumstände der stadtrömischen Unterschicht, der plebs urbana, dürften ihm jedenfalls sehr wohl geläufig gewesen sein. Noch während der fortgeschrittenen späteren politischen Karriere ist denn neben der bloßen Fortsetzung des Marianischen Ansatzes aufgrund der biographischen Prägung häufiger eine populare Hinwendung – beispielsweise ablesbar an Initiativen zur Ackergesetzgebung – zu den Belangen der einfacheren Bevölkerung zu beobachten, vielmehr jedenfalls als dass die Wahrnehmung von Standesinteressen der dauerhaft sich nach unten abgrenzenden Senatorenschicht handlungsleitend gewesen wäre. 

Wie haben wir ihn uns eigentlich vorzustellen? Bei seinem Biographen Sueton ist zu lesen, dass Caesar „von stattlicher Statur gewesen“ sei und über „weiße Haut, schlanke Gliedmaßen, ein etwas zu volles Gesicht, dunkle, lebhafte Augen“ verfügt haben soll. Weiter heißt es bei demselben Autor: „Er führte die Waffen mit großem Geschick, war ein ausgezeichneter Reiter und erstaunlich ausdauernd. Bei Märschen zog er manchmal zu Pferd, öfter zu Fuß voran, barhaupt bei Sonnenschein oder Regen. Die längsten Strecken legte er mit unglaublicher Geschwindigkeit zurück, ohne Gepäck, in einem Mietwagen, pro Tag hundert Meilen; Flussläufe hielten ihn nicht auf, er durchquerte sie schwimmend oder auf aufgeblasenen Schläuchen, so dass er sehr oft schneller ankam als die Nachrichten über seine Bewegungen.“ Andererseits erfahren wir aus weiteren Quellen von einer unregelmäßigen Heimsuchung in Form von anfallartigen Attacken. Ob es sich bei dieser nicht von der Hand zu weisenden gesundheitlichen Beeinträchtigung tatsächlich um Epilepsie gehandelt hat, ist nicht nur nicht völlig auszuschließen, vielmehr ist es sogar wahrscheinlich.

statue-g956b51a56_1920

2. Caesar: Bildniskopf aus grünem Schiefer. Entstanden zwischen 25 v. Chr. und 50 n. Chr.

Erst 63 v. Chr. verließ Caesar die Subura, um ein neues oberpriesterliches Heim an der Via Sacra zu beziehen. Zuvor ist er in das prestigeträchtige Amt des Pontifex Maximus gewählt worden, ein Karriereschritt der im Normalfall eher um einiges älteren Honoratioren vorbehalten war. Dem Pontifex Maximus oblag die Oberaufsicht über sämtliche sakralen Angelegenheiten in der Stadt, einschließlich der Aufgabe wichtige religiöse und politische Ereignisse nach Jahren geordnet in den annales maximi aufzulisten. Inwieweit dabei die guten Kontakte zum reichsten Mann Roms, Marcus Licinius Crassus, behilflich waren, darüber lässt sich trefflich spekulieren. Auch in der regulären Ämterlaufbahn ging es in demselben Jahr auf dem cursus honorum entscheidend voran. Mit der Wahl zum Prätor wurde die zweithöchste Stufe überhaupt erklommen, es winkte nach Ablauf des Amtsjahres zudem die Übernahme der Statthalterschaft in der spanischen Provinz Hispania ulterior, was finanziell lukrativ zu werden versprach. Während das Jahr 63 v. Chr., Cicero bekleidete gerade das Konsulat, sich also für Caesar überaus erfreulich ausnahm, zogen für die res publica dunkle Wolken in Form der Verschwörung des Catilina auf. Catilina plante gemeinsam mit seinen Spießgesellen einen Staatsstreich einschließlich der Ermordung Ciceros und der widerrechtlichen Besetzung der Magistrate durch eigene Anhänger, was am Ende gründlich misslang. Sallust hat die ganze Angelegenheit, die Caesar allerdings nicht frei von kaum willkommenen Verdächtigungen sah, mit den Worten, „Alle, die nicht die Sache des Senat verfochten, wollten lieber, dass das Gemeinwesen in Unordnung geriete, als dass sie selbst weniger Gewicht hätten,“ kommentiert. 

Davon einmal abgesehen, sind die Bürger Roms in jenen Jahren Zeuge geworden, wie der mit außerordentlichem Oberbefehl (imperium extraordinarium) – ein kontroverses Politikum ersten Ranges – versehene Gnaeus Pompeius Magnus nicht nur der die Küsten des Mittelmeeres bedrohenden Seeräuberplage erfolgreich Herr wurde und den gegen die römischen Herrschaftsansprüche in Kleinasien opponierenden König Mithradates VI. endgültig besiegte, sondern sie erlebten eine Neuordnung des seit den Tagen Alexanders kulturell hellenistisch geprägten Ostens insgesamt. Syria, Bithynia et Pontus, und Cilicia  erweiterten als neue Provinzen Roms Ansehen und Status. Pompeius hatte sich damit als bedeutendster Feldherr der Tibermetropole fest etabliert. Vorerst. Wann würde Caesar seine wahre Leistungsfähigkeit endlich unter Beweis stellen, Ruhm und Ehre anhäufen können, wo würde er seinen Bewährungsraum finden?

Nach dem Konsulat 59 v. Chr. sind Caesar ab dem Folgejahr als Statthalter im Rang eines Proconsul die Provinzen Illyrien, Gallia cisalpina und Gallia transalpina zugewiesen worden. Und zwar ungewöhnlicherweise gleich für fünf Jahre, was ziemlich sicher der Fürsprache der mit ihm im im 1. Triumvirat verbundenen Mitstreiter Pompeius und Crassus zu verdanken war. Dem im letzten Viertel des 2. Jahrhunderts v. Chr. als römische Provinz eingerichteten transalpinen Gallien kommt dabei als Ausgangsbasis für das, was folgen sollte, enorme Wichtigkeit zu. Geographisch hat besagtes Territorium mit den heutigen französischen Landschaften Provence und Languedoc-Roussillon im großen und ganzen übereingestimmt. Der Raum zwischen Pyrenäen und Alpen befand sich demnach ohnehin fast vollständig in römischer Hand. Caesar hatte keinerlei Befugnis oder Vollmachten erhalten, darüber hinaus gehend weiter nördlich irgendwelche Auseinandersetzungen mit den dort seit alters her siedelnden keltischen Stämmen zu suchen, schon gar nicht Kriege zu führen. Zivilisatorisch befanden die Kelten sich auf einem überaus hohen Niveau, wie es im Metallhandwerk bei der Herstellung von Gebrauchsgegenständen und Waffen, insbesondere den Schwertern, gleichermaßen sichtbar wird. Die vorhandene gesellschaftliche Differenzierung ist evident, da in der sozialen Hierarchie höherstehenden Personen beim Begräbnis überaus qualität- und wertvoller Schmuck beigegeben worden ist. Lokale wirtschaftliche  Austauschbeziehungen und Fernhandel sind durch ein gut ausgebautes Wegenetz gefördert worden. Die keltischen Siedlungen, genannt oppida, mit ihrem protourbanen Charakter stellen eine Vorstufe zur eigentlichen Stadt dar. Mit anderen Worten: Das freie Gallien war kein Barbarenland.

Über all diese Dinge ist Caesar gut unterrichtet gewesen, sie werden Begehrlichkeiten geweckt haben. Um dennoch entgegen seiner Vorgaben aus Rom militärisch aktiv werden zu können und Eroberungen einzuleiten, wie Pompeius es im Osten des Mittelmeerraumes so eindrucksvoll gelungen ist, brauchte es gute Gründe, mindestens einen glaubhaften Vorwand. Die Wanderungsbewegungen der Helvetier wie die Hilfs- und Beistandsersuchen der mit den Römern seit langem befreundeten Haeduer kamen dem aufstrebenden, nach Ruhm und Ehre dürstenden Feldherrn gerade recht. Die weit nach Norden ausgreifende Expansion und Inbesitznahme keltischen Territoriums wurde in Angriff genommen, die traditionell uneinigen verschiedenen Stämme listig gegeneinander ausgespielt. Mehr als einmal ist in diesem Rahmen in Legionsstärke und nicht nur als Kommando- oder Fernspähunternehmen die Überfahrt nach Britannien bzw. die Überquerung des Rheins auf eigens dazu angelegter Brücke gelungen. Caesars Trumpfkarten in den heftigen Auseinandersetzungen, den mit äußerster Erbitterung geführten Kämpfen waren immer wieder die Diszipliniertheit der auf ihn eingeschworenen Legionäre, die an den Tag gelegte Schnelligkeit in der Bewegung und Verlegung von umfangreichen Truppenkontingenten und die Fähigkeit, die Gegner stets von neuem zu überraschen und dadurch zu verwirren. Die bei Alesia 52 v. Chr. in der Anlage eines 16 Kilometer langen inneren Belagerungsringes und eines zweiten 21 Kilometer langen, nach außen gerichteten Verteidigungsringes zum Ausdruck gekommene Leistungsfähigkeit der Kriegstechnik, modern gesprochen des Pionierwesens, hatte bis dahin in der Antike nicht ihres gleichen gefunden.

Die vom Feldherrn selbst vorgenommene Aufzeichnung des Geschehens in dem Werk „De bello Gallico“ hat neben dokumentarischen Zwecken jedoch auch ganz klar der persönlichen Rechtfertigung gedient. Trotz aller unbestreitbarer Erfolge: Aus Rom drohte Ungemach. Während Caesar beabsichtigt hat, erneut für das Konsulat zu kandidieren, – aber nur als mit Immunität ausgestatteter Amtsträger sich dafür nach Rom begeben wollte und keinesfalls als Privatmann, dem der Prozess wegen mehrere Verfassungsbrüche gemacht werden konnte, – betrieben die höchsten Magistrate in der Stadt seine Demontage. Am 10. Januar 49 v. Chr. erhielt Caesar, der in Ravenna in seiner Provinz Gallia cisalpina weilte, Kenntnis davon, dass der Senat den Staatsnotstand ausgerufen hat. Der äußerste Senatsbeschluss, das senatus consultum ultimum, ist gefasst worden. Wenn Caesar nicht unmittelbar sein Kommando niederlegen würde, würde sich sein Handeln gegen die Republik selbst richten. Doch anstatt den Forderungen zu entsprechen, sehen wir Caesar den Rubikon und damit die Grenze zum römischen Staatsgebiet überschreiten. Aus überaus eigennützigen Motiven, die mit keiner Spitzfindigkeit mit den Interessen der res publica in Übereinstimmung zu bringen sind, hat der selbsternannte Abkömmling der Venus damit vorsätzlich und wohlüberlegt den ersten Schritt in den Bürgerkrieg unternommen. 

Die Sache der Republik wie des Senats wurde von Pompeius und seinen Legionen verfochten. Zunächst jedoch galt es notgedrungen erst einmal Rom und die italische Halbinsel zu verlassen, da der vorhandene Personalstand der republikanischen Kräfte unzureichend erschien. Dann mussten zur Überraschung vieler entscheidende Niederlagen in der Auseinandersetzung mit dem erneut seine überlegene Feldherrnkunst entfaltenden Caesar hingenommen werden. 48 v. Chr. im griechischen Pharsalus und 46 v. Chr. im nordafrikanischen Thapsus konnte Caesar seine alles und jeden überragende Stellung festigen, Pompeius war am Ende. 

Was Caesar nach seiner Rückkehr nach Rom nicht gelang, war eine Wiederherstellung der alten Ordnung, eine Restauration. Das war nach allem, was wir wissen, so von ihm auch nicht beabsichtigt. Viel lieber ließ er sich mit Ehren überhäufen, feierte ausgiebige Triumphe, genoss die ihm entgegengebrachte Anerkennung und geriet darüber zunehmend in den Verdacht, sich zum Monarchen aufschwingen zu wollen, wie ich im Eingangskapitel dargelegt habe. Am 15. März 44 v. Chr. schlugen die Verschwörer anlässlich einer Senatssitzung schließlich zu. 23 Dolchstiche bereiteten seinem Leben das Ende.

julius-caesar-g9207ddc49_1280

3. Vincenzo Camuccini, Der Tod von Gaius Iulius Caesar, Öl auf Leinwand, 1806.

Rom kam dennoch nicht zur Ruhe. Jahrelange Bürgerkriege waren die Folge des mörderischen Geschehens. 

Bildnachweis©1, 2, 3 pixabay.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s