„Siegen oder Sterben“ – die Fußball WM 1938 im 80sten Jubiläumsjahr

Es ist noch nicht allzu lange her. Die 32 Teams, die sich dafür qualifizieren konnten, haben bei der vergangenen Weltmeisterschaft ihre fußballerischen Künste und Fähigkeiten gemessen. Nachdem acht Jahre zuvor mit Südafrika erstmals ein Land des afrikanischen Kontinents mit der Ausrichtung bedacht wurde, war 2014 mit Brasilien die Heimat des Rekordweltmeisters Gastgeber der internationalen Fußballelite. 2018 durfte erstmals Wladimir Putins sich von der Ostsee bis zum Pazifik erstreckendes Riesenreich Russland den Gastgeber stellen. Dabei befinden wir uns gegenwärtig in turbulenten Zeiten, in denen Russland nur allzu oft in internationale Konflikte und Probleme verwickelt ist und leider nur in einem geringen Maße den Eindruck erweckt, problemlösend tätig werden zu wollen. Turbulente Zeiten gab es jedoch auch 1938.

Gastgebendes Land vom 4. bis zum 19. Juni 1938 war seinerzeit Frankreich. Die 16 qualifizierten Teams kamen aus Belgien, Rumänien, Ungarn, Schweden, Norwegen, Schweiz, Polen, Italien, Frankreich, Tschechoslowakei, Niederlande, Österreich, dem Deutschen Reich, Brasilien, Kuba und Niederländisch-Indien. Niederländisch-Indien entspricht dabei in etwa jenem Staat, der heute als Indonesien bekannt ist. Als Spielorte waren Antibes, Bordeaux, Colombes, Le Havre, Lille, Marseille, Paris, Reims, Straßburg, Toulouse und Lyon vorgesehen. Die insgesamt 18 Spiele des Turniers sind auch an den dafür vorgesehenen Orten absolviert worden, einzig Lyon ging letztendlich leer aus. In Lyon hätte dabei Schweden gegen Österreich antreten sollen.

Doch Österreich war gerade einmal drei Monate zuvor von der Wehrmacht besetzt und völkerrechtswidrig annektiert worden. Der sogenannte Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich führte zur Bildung Großdeutschlands. Was für eingefleischte Nationalsozialisten die Erfüllung pangermanischer Wunschträume war, sah man anderenorts eher mit Erschrecken. Unter der Ägide von Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten war es die Aufgabe von Reichstrainer Sepp Herberger, aus zwei bisher erfolgreichen Teams ein einziges, selbstverständlich noch erfolgreicheres zu formen. Im Gegensatz zu 1954 sollte Herberger (NSDAP-Mitglieds-Nr. 2.208.548), seit dem 1. Mai 1933 wie der Freiburger Philosoph Martin Heidegger Mitglied der NSDAP, bereits am ersten Gegner scheitern. Das aufgrund eines Unentschiedens gegen die Schweiz notwendig gewordene Wiederholungsspiel endete mit 2:4. Ein gellendes Pfeifkonzert der Zuschauer im Pariser Prinzenpark orchestrierte beide Begegnungen zudem, man war eben ausgesprochen unbeliebt. Die politisch gewollte Integration der alpenländischen Kicker hat sich damit für die gehegten sportlichen Ambitionen als gewaltiger Flop erwiesen.

Ein kurzer Blick auf die Zuschauerzahlen des Turniers 1938 weist einerseits auf die schon damals bestehende Anteilnahme hin, andererseits werden im Vergleich zu heute die veränderten Dimensionen deutlich. In Frankreich wurden insgesamt 375.700 Zuschauer gezählt, während in Brasilien 2014 bei 64 Spielen 3.429.873 Anwesende verzeichnet wurden, was fast einer Verzehnfachung entspricht.

„Siegen oder Sterben“

Die sportlichen Darbietungen der wegen ihrer blauen Trikots „Azzurri“ genannten Italiener blieben den Fans in aller Welt im vorvergangenen russischen Sommer bedauerlicherweise vorenthalten, da sie es nicht verstanden haben, sich für das globale Event zu qualifizieren. Das war vor achtzig Jahren völlig anders.

Bei der erst dritten Auflage einer Fußball-Weltmeisterschaft schaffte es Italien, den schon zweiten Titel zu erringen, nachdem vier Jahre zuvor im eigenen Land der Premierenerfolg gelang. Trainer war jeweils Vittorio Pozzo. Er ist bis heute der Einzige geblieben, dem dieses Kunststück gelang.

Italien hatte das Finale gegen Ungarn zu bestreiten. Es wurde mit 4:2 gewonnen dank der zweifachen Torschützen Silvio Piola und Gino Colaussi. Ob das zuvor im Teamquartier empfangene Telegramm des italienischen Diktators Benito Mussolini mit der pathetischen Botschaft „Siegen oder Sterben“ hilfreich war, ist nicht überliefert. Es enthält jedoch mehr als nur einen Fingerzeig darauf, wie bedeutsam Sport und Politik schon damals miteinander verquickt waren. Die Gazzetta dello Sport, auflagenstärkste Zeitung des Landes überhaupt, war es jedenfalls zufrieden. Man titelte einen Tag nach dem Finale am 20. Juni 1938 „Strepitosa Vittoria“, von einem überwältigenden und umwerfenden Sieg war also die Rede.

Heute nimmt die Berichterstattung über Superstars wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Neymar breiten Raum in den Medien ein. Einen Superstar hatte auch schon das italienische Team der 1930er Jahre in den eigenen Reihen. Sein Name: Giuseppe Meazza. Nach seinem Tod 1979 wurde sogar ein ganzes Stadion ihm zu Ehren umbenannt, und zwar nicht irgendeine Spielstätte in der apulischen Provinz, sondern das größte Stadion Italiens überhaupt. Seit 1980 wird das altehrwürdige Mailänder San Siro, über 80.000 Zuschauern Platz bietende Heimstätte der Clubs Inter und AC, nach eben diesem Giuseppe Meazza benannt.

Wer mehr über Meazza erfahren und ein ganzes Fußballteam bei der Ausübung des Saluto Romano, des im Italien jener Jahre allgegenwärtigen Faschistengrußes, sehen möchte, erfährt mehr zu diesem Thema über die Internetpräsenz des DFB (https://www.dfb.de/news/detail/giuseppe-meazza-doppelweltmeister-und-mailand-legende-55510/?no_cache=1).

Mein nächster Beitrag beschäftigt sich mit Benito Mussolini, der Erfindung des Faschismus und seiner Wesensmerkmale und Auswirkungen.

 

 

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